Zusammen mit mehr als 50 Organisationen fordert der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Hof e.V. den Bundestag sowie die Bundesminister*innen Nancy Faeser, Dr. Marco Buschmann und Lisa Paus auf, Menschen in Abschiebehaft, Anwält*innen zur Seite zu stellen und dies gesetzlich vorzuschreiben. Dass dies bislang nicht verpflichtend ist, sei »eines Rechtsstaates unwürdig«, so die Unterzeichner des Positionspapiers.
Immer wieder landen in Deutschland Menschen in Abschiebehaft und werden somit ihrer Freiheit beraubt, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Mehr als fünfzig Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet kritisieren diese Praxis in einem Positionspapier scharf. Sie fordern das Bundesinnen-, das Bundesjustiz-, das Bundesfamilienministerium sowie die Mitglieder ausgewählter Bundestagsausschüsse auf, analog zur Pflichtverteidigung im Strafprozess auch eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen in Verfahren zur Anordnung von Abschiebungshaft gesetzlich einzuführen. Eine entsprechende Möglichkeit bietet das angekündigte neue Gesetzespaket zum Migrationsrecht.
Die Organisationen begründen ihre Forderung damit, dass es in der Abschiebungshaft immer wieder zu schwerwiegenden Verfahrensfehlern kommt, die meist erst durch anwaltliche Unterstützung korrigiert werden können. Die Betroffenen kennen sich mit dem in Deutschland geltenden Rechtssystem nicht hinreichend aus, um sich wirksam gegen die Anordnung oder Verlängerung der Haft wehren zu können. »Gegenüber der die Haft beantragenden Behörde sind die Betroffenen somit offensichtlich in einer unterlegenen Position«, so Rechtsanwalt Peter Fahlbusch. »Ohne eine anwaltliche Vertretung sehen sie sich hilflos einem Verfahren ausgesetzt, das sie nicht verstehen und deshalb auch nicht beeinflussen können. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig und sollte unbedingt geändert werden«.
Zu den Unterzeichnern gehören u.a. PRO ASYL, Amnesty International, das Diakonische Werk, die Caritas, der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, terre des hommes, der Deutsche Anwaltverein, die Neue Richtervereinigung und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.
In der Abschiebungshaft wird einer Person die Freiheit entzogen, ohne dass sie eine Straftat begangen hat. Dieser Freiheitsentzug greift massiv in die Grundrechte der betroffenen Person ein. In unserem Rechtsstaat werden deshalb an einen Haftbeschluss hohe formale und inhaltliche Anforderungen gestellt. Diesen Anforderungen wird die Praxis in der Abschiebungshaft häufig nicht gerecht; valide Schätzungen gehen von rund fünfzig Prozent fehlerhaften Inhaftierungen aus. Eine Ursache für die Fehlerquote ist, dass Betroffene, die oftmals mittellos sind und denen es an System- und Sprachkenntnissen fehlt, ohne professionellen Beistand vor Gericht keine Chance haben, ihre Grundrechte zu verteidigen. »Die Freiheitsentziehung stellt das schärfste Schwert unseres Rechtssystems dar«, so Rechtsanwalt Fahlbusch. Um den Rechtsstaat durchzusetzen, braucht es deshalb eine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen.
Hintergrund:
Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover erklärt: »Seit 2001 habe ich bundesweit 2.282 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.197 dieser Menschen (d.h. 52,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert […]. Zusammengezählt kommen auf die 1.197 Gefangenen 31.235 rechtswidrige Hafttage, das sind gut 85 Jahre rechtswidrige Haft«. Über die fatalen Fehler, die in der Abschiebehaft geschehen, spricht Rechtsanwalt Fahlbusch im Interview mit PRO ASYL sowie im Podcast (Folge 3).